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Eine Strategie für Netto-Null-Emissionen verdient ihre Großbuchstaben, wenn sie vollständig erfasst, wissenschaftlich fundiert, mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar und kumulativ ist. Was bedeutet das konkret für dein Unternehmen?
Netto-Null-Emissionen bedeuten mehr als nur Kompensation: Unternehmen müssen ihre Treibhausgasemissionen über alle drei Scopes drastisch reduzieren und verbleibende Emissionen dauerhaft aus der Atmosphäre entfernen. Die Science Based Targets Initiative fordert mindestens 90 % absolute Reduktion vor jeglicher Neutralisierung. Dabei gewinnt die kumulative Betrachtung historischer Emissionen zunehmend an Bedeutung. Wer heute ein glaubwürdiges Netto-Null-Ziel formuliert, braucht wissenschaftlich validierte Reduktionspfade, transparente Dokumentation und messbare Zwischenziele bis 2030.
Netto-Null-Emissionen – oder auf Englisch Net Zero Emissions – beschreiben den Zustand, in dem die Treibhausgasemissionen so weit reduziert sind, dass die verbleibenden Emissionen vollständig durch natürliche oder technische CO₂-Senken ausgeglichen werden. Die Atmosphäre nimmt dann netto keine zusätzlichen Klimagase mehr auf.
Dieser Zustand unterscheidet sich fundamental von Klimaneutralität: Während Klimaneutralität oft durch den Kauf von CO₂-Zertifikaten erreicht wird, erfordert Netto-Null eine tatsächliche, messbare Reduktion der Emissionen. Die Menschheit muss bis Mitte des Jahrhunderts Netto-Null erreichen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen – so das Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015.
Das Abkommen formuliert klar: Die Welt muss ein Gleichgewicht zwischen anthropogenen Emissionen und dem Ausgleich von Treibhausgasen durch Senken herstellen. Dabei spielen natürliche Senken wie Wälder und Moore eine zentrale Rolle, aber auch technologien zur dauerhaften CO₂-Entfernung gewinnen an Bedeutung.
Die Erwärmung um 1,5 °C ist keine beliebige Zahl. Dieses Szenario basiert auf den Berichten des Weltklimarates (IPCC), die regelmäßig den Stand der Klimawissenschaft zusammenfassen. Die Berichte zeigen: Jedes Zehntelgrad zusätzlicher Erwärmung verschärft die Folgen des Klimawandels für Menschen und Ökosysteme auf der Erde.
Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, muss die Menschheit ihre CO₂-Emissionen und andere Treibhausgasemissionen drastisch senken. Der Weg zu Netto-Null erfordert einen fundamentalen Wandel in Energie, Mobilität, Industrie und Landwirtschaft. Fossile Energieträger wie Kohle, Öl und Gas müssen durch erneuerbare Energien wie Wind, Sonne und nachhaltige Biomasse ersetzt werden.
Das Pariser Klimaabkommen verpflichtet alle Staaten, "national festgelegte Beiträge" (Nationally Determined Contributions, NDCs) vorzulegen. Diese NDCs definieren, wie jedes Land seine Emissionen reduzieren will. Jeder Staat muss aufeinanderfolgende NDCs entwickeln und umsetzen – mit zunehmender Ambition.
Die Umsetzung erfolgt über regulatorische Maßnahmen, die wiederum direkte Auswirkungen auf Unternehmen haben. Wer dies als Unternehmen nur als Risiko begreift, verpasst die Chance zur proaktiven Gestaltung. Bisherige Maßnahmen reichen nicht aus, um die Klimaziele zu erfüllen – weitere, möglicherweise abruptere Regulierungen sind absehbar. Mehr dazu findest du in unserem Artikel über regulatorische Klimarisiken.
Die Bundesrepublik Deutschland hat sich zur Treibhausgasneutralität bis 2045 verpflichtet. Internationale Beobachter bewerten die deutschen Ziele jedoch kritisch – die bisherigen Maßnahmen reichen nicht aus, um die selbstgesteckten Ziele zu erreichen.
Es liegt im ureigenen Interesse jedes Unternehmens, selbst aktiv zu werden. Die We Mean Business Coalition berichtet, dass sich mehrere tausend Unternehmen weltweit öffentlich zur Reduktion ihrer Treibhausgase verpflichtet haben. Ebenso engagieren sich Bürgermeister größerer Städte in Foren wie dem Global Covenant of Mayors for Climate & Energy und der C40 Cities Initiative. In Deutschland treibt LocalZero die lokale Klimaneutralität voran.
Doch was genau bedeutet "Netto-Null" in diesen Verpflichtungen? Einige formulieren klare Ziele, Methoden und Zeitpläne – viele tun dies nicht. Manche Initiativen bieten bewusst Flexibilität, um mehr Unterzeichner zu gewinnen. Die Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ) musste bereits erste Austritte verzeichnen, weil manchen Mitgliedern die Ambitionen nicht ausreichten.
Ein glaubwürdiges Netto-Null-Ziel muss alle Treibhausgasemissionen erfassen: Scope 1 (direkte Emissionen aus eigenen Quellen), Scope 2 (indirekte Emissionen aus eingekaufter Energie) und Scope 3 (alle vor- und nachgelagerten Emissionen der Wertschöpfungskette). Mehr Details zu dieser Systematik findest du in unserem Artikel Was sind Scope 1, Scope 2 und Scope 3 Emissionen?.
Tatsächlich verbirgt sich in Scope 3 der Großteil der Emissionen vieler Unternehmen. Bei Automobilherstellern entstehen etwa vier Fünftel der CO₂-Emissionen in der Nutzungsphase der Fahrzeuge – durch Benzin oder Diesel als Energieträger. Die Produktion selbst trägt nur einen Bruchteil zum Corporate Carbon Footprint bei.
Ein weiteres Beispiel: Waschmittel. Auch hier fallen die meisten Emissionen in der Nutzungsphase an, wenn Kundinnen und Kunden ihre Kleidung waschen. Unilever und Procter & Gamble führen deshalb Aufklärungskampagnen durch, um Menschen zu motivieren, bei 30 Grad statt bei 50 oder 60 Grad zu waschen – eine Maßnahme zur Reduktion der Scope-3-Emissionen.
Allerdings sind solche Verhaltensänderungen schwierig zu messen und zu steuern. Levis Strauss & Co. verfolgt einen ähnlichen Ansatz mit einem Leitfaden für nachhaltiges Waschen, der zeigt: Die Verantwortung endet nicht an den Werkstoren.
Die Erfassung von Scope-3-Emissionen stellt viele Unternehmen vor Herausforderungen. Anders als bei Scope 1 und 2 liegen die Daten oft nicht direkt vor. Du bist auf Schätzungen, Durchschnittswerte oder die Kooperation von Lieferanten und Kunden angewiesen. Dennoch lässt sich Scope 3 nicht ignorieren – ohne diese Daten bleibt die CO₂-Bilanz unvollständig.
Automatisierte CO₂-Bilanzierung kann hier helfen: Moderne Softwarelösungen nutzen Transaktionsdaten aus der Buchhaltung und kombinieren sie mit Emissionsfaktoren-Datenbanken. So lässt sich auch Scope 3 mit vertretbarem Aufwand erfassen.
Die Science Based Targets Initiative (SBTi) definiert Standards für glaubwürdige Klimaziele. Die Initiative wird von CDP, UN Global Compact, World Resources Institute und WWF getragen – finanziert unter anderem durch den Bezos Earth Fund und die IKEA Foundation.
Die SBTi schreibt zu wissenschaftsbasierten Zielen:
Ziele gelten als "wissenschaftsbasiert", wenn sie mit dem übereinstimmen, was nach dem neuesten Stand der Klimawissenschaft notwendig ist, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen – die Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau und die Fortsetzung der Bemühungen zur Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 °C.
Die Methodik gibt unterschiedliche Reduktionspfade je nach Sektor vor und berücksichtigt die unterschiedliche Fähigkeit zur Emissionsreduktion. Die SBTi bietet drei methodische Ansätze an:
Für eine Validierung durch die SBTi müssen Unternehmen vier zentrale Anforderungen erfüllen:
1. Kurzfristiges Reduktionsziel (5-10 Jahre): Basierend auf dem 1,5-Grad-Szenario mit messbaren Zwischenzielen.
2. Langfristiges Reduktionsziel (bis 2050): Ebenfalls auf Basis des 1,5-Grad-Szenarios, mit mindestens 90 % absoluter Reduktion der Emissionen. Nur die verbleibenden Emissionen dürfen neutralisiert werden.
3. Emissionen außerhalb der Lieferkette adressieren: Die SBTi empfiehlt, auch Emissionen in der Nutzungsphase der Produkte zu berücksichtigen – ein Aspekt, der besonders für Konsumgüterhersteller relevant ist.
4. Übrige Emissionen dauerhaft neutralisieren: Durch CO₂-Entfernung (Carbon Dioxide Removal) oder permanente Speicherung, nicht durch einfache Kompensationszertifikate.
Kritisch anzumerken ist: Die Science Based Targets Initiative unterliegt bisher keiner unabhängigen Überprüfung – etwas, das für mehr Glaubwürdigkeit korrigiert werden sollte.
Viele Unternehmen kaufen CO₂-Zertifikate oder investieren in CO₂-Entfernungstechnologien, um Emissionen auszugleichen, die sie aus eigener Kraft nicht reduzieren können. Solche Investitionen können den Weg zur globalen Netto-Null bereiten – aber nur, wenn sie mit dem globalen CO₂-Budget verknüpft sind.
Damit eine Kompensation zum globalen Klimaschutz beiträgt, müssen die Credits in das einheitliche Treibhausgas-Inventar der jeweiligen Nation aufgenommen werden. Nur dann wird die Gutschrift mit den übrigen CO₂-Quellen und Senken eines Landes verrechnet und trägt tatsächlich zur Erreichung von Netto-Null bei.
Die meisten Unternehmen finanzieren Senken jedoch durch den Kauf von Emissionsgutschriften auf einem fehleranfälligen Markt. Die Probleme des Zertifikatehandels sind hinreichend dokumentiert – mehr dazu in unserem Artikel Wie Unternehmen CO₂ kompensieren können.
Ein zentrales Problem: die Doppelzählung. Wenn ein Land eine Emissionsgutschrift ausstellt, sollte klar sein, welches Land von der verbuchten Reduktion profitiert. Die Reduktion sollte entweder in den Büchern des Zertifikate-Käufers oder des Verkäufers erscheinen – aber nicht bei beiden.
Um eine einheitliche Messung zu unterstützen, verlangt die vollständige Definition von Netto-Null, dass Unternehmen ausdrücklich angeben:
Nur so fließen sie in das globale CO₂-Budget ein, das wiederum mit dem Pariser Klimaabkommen verknüpft ist.
Die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad macht deutlich: Es gibt so etwas wie historische Emissionen. Es geht nicht nur darum, zukünftige Emissionen zu verhindern, sondern auch um die Verantwortung für vergangene CO₂-Emissionen seit Beginn der Industrialisierung.
Jahrzehntelang haben Industrieländer und etablierte Unternehmen Treibhausgase emittiert. Selbst eine umfassende, wissenschaftlich fundierte und mit dem Pariser Abkommen konforme Emissionsreduktion, die heute beginnt, würde diese historische Schuld nicht beseitigen. Besonders die fossile Industrie trägt hier eine besondere Verantwortung.
Ein Netto-Null-Ziel, das Emissionen kumuliert betrachtet, könnte Industrienationen und Unternehmen dazu bringen, einen fairen Übergang zu einer nachhaltigen Zukunft zu finanzieren – nicht mit unbeschränkter Haftung, aber innerhalb rationaler Grenzen.
Unternehmen können ihre historische Emissionsschuld berechnen und CO₂-Reduktionsprojekte in erheblichem Umfang finanzieren, um weniger wohlhabenden Regionen zu helfen, die natürlichen Ressourcen zu erhalten, von denen wir alle abhängen. Da es sich bei den historischen Emissionen um Emissionen außerhalb des aktuellen Tagesgeschäftes handelt, wären dies zusätzliche, inkrementelle Anstrengungen.
Der entscheidende Punkt: Berechne, wie viele Tonnen Kohlendioxid in der Vergangenheit produziert wurden, um dann CO₂-Senken zu finanzieren und die gesamte CO₂-Rechnung des Unternehmens zu begleichen.
Das Problem ist nicht theoretisch. CO₂ und einige andere Treibhausgase verbleiben nach ihrer Emission über 100 Jahre in der Atmosphäre. Der überwiegende Teil der weltweiten Treibhausgasemissionen wurde in den letzten 80 Jahren produziert. Bei Gasen wie Kohlendioxid, Distickstoffoxid (N₂O), Fluoroform (CHF₃) und Schwefelhexafluorid (SF₆) sind die meisten der Moleküle, die jemals durch menschliche Aktivitäten freigesetzt wurden, immer noch in der Atmosphäre – sie reflektieren Infrarotstrahlen und erwärmen die Erde.
Methan (CH₄) hingegen verbleibt nur etwa 20 Jahre in der Atmosphäre und ist deshalb für schnelle Reduktionen interessant. Mehr zum Global Warming Potential verschiedener Gase findest du in unserem Artikel über CO₂-Äquivalente und ihr Global Warming Potential.
Microsoft ist ein Musterbeispiel für kumulative, wissenschaftsbasierte Netto-Null-Emissionen über alle drei Scopes. Das Unternehmen strebt einen kumulativen Ausgleich bis 2030 an und bezeichnet dies als "Carbon Negative" – also nicht nur Netto-Null, sondern tatsächlich negative Emissionen.
Der Unterschied zu anderen Ansätzen: Microsoft übernimmt Verantwortung für alle Scope-3-Kategorien und stellt einen Climate Innovation Fund bereit, um bestehende CO₂-Reduktionslösungen zu skalieren und neue Technologien zur CO₂-Entfernung zu entwickeln.
Fairerweise muss man sagen: Microsoft hat als IT-Unternehmen keine nennenswerten Rohstoffverbräuche im Vergleich zu produzierenden Unternehmen. Die Herausforderungen sind anders gelagert als etwa in der Textil- oder Automobilindustrie.
Kritisch zu bemerken ist der starke Fokus auf technische Lösungen zur CO₂-Entfernung. Diese spielen in der globalen Betrachtung bisher kaum eine Rolle, weil ihr Volumen noch zu klein ist. Die CO₂-Senke mit dem größten Effekt wäre die Verhinderung von Entwaldung – natürliche Ökosysteme wie Wälder und Moore sind nach wie vor die effizientesten Kohlenstoffsenken.
Weitere Empfehlungen zur sinnvollen Kompensation findest du in unserem Artikel Wie dein Unternehmen CO₂ kompensieren kann. Nichtsdestotrotz sucht der Gesamtansatz von Microsoft seinesgleichen: über alle drei Scopes, wissenschaftlich fundiert und kumulativ.
Im Jahr 2025 verschärft sich der Druck auf Unternehmen, glaubwürdige Netto-Null-Ziele zu formulieren. Die Science Based Targets Initiative verlangt zunehmend detaillierte Nachweise und transparente Reduktionspfade. Einfaches Offsetting durch Zertifikate wird nicht mehr als Beitrag zur Erreichung von Netto-Null anerkannt.
Global beginnt laut aktuellen Modellen im Jahr 2025 der erste strukturelle Rückgang der Emissionen – getrieben durch den massiven Ausbau erneuerbarer Energien. Wind- und Solarenergie wachsen schneller als der globale Energiehunger. Die Kosten für diese Technologien sinken rapide, wodurch der Übergang auch für Schwellenländer zunehmend wirtschaftlich wird.
Die Europäische Kommission investiert verstärkt in Netto-Null-Technologien. Im Rahmen des EU-Innovationsfonds werden mehrere Milliarden Euro für Projekte zur Emissionsminderung vergeben – etwa für saubere Technologien, erneuerbare Energien und Energiespeicherung.
Der Net Zero Stocktake 2025 bewertet über 4.000 Institutionen hinsichtlich der Integrität ihrer Klimaziele. Die Kombination aus günstiger werdenden erneuerbaren Energien und politischen Rahmenbedingungen beschleunigt die Transformation weltweit.
Die meisten wissenschaftlichen Roadmaps bestätigen: Netto-Null-Emissionen müssen bis Anfang der 2050er Jahre erreicht werden, um das 1,5-Grad-Ziel noch annähernd zu schaffen. Dies wird durch neue NDCs und ambitioniertere Unternehmensziele greifbarer und überprüfbarer.
Gleichzeitig wird deutlich: Allein mit herkömmlichen Kompensationen kann echte Netto-Null-Zielerreichung nicht gerechnet werden. Eine massive Reduktion der Emissionen muss jetzt erfolgen – nicht in ferner Zukunft, sondern in den nächsten Jahren.
Unternehmen, die ein ernsthaftes Netto-Null-Ziel anstreben, sollten diese Methoden kennen und adressieren. Der Anfang besteht darin, sich einen Überblick über die eigenen Emissionen zu verschaffen. Eine vollständige CO₂-Bilanzierung über alle drei Scopes ist die Grundlage jeder Klimastrategie.
Für KMU erscheint dies oft überwältigend komplex. Tatsächlich lässt sich mit modernen Tools eine erste CO₂-Bilanz in überschaubarer Zeit erstellen. Der CO₂-Rechner für KMU gibt einen ersten Überblick, während professionelle Lösungen die Daten automatisiert aus der Buchhaltung ziehen können.
Eine CO₂-Bilanz allein reicht nicht. Darauf aufbauend braucht es:
Reduktionsziele: Wo können Emissionen am effektivsten gesenkt werden? Welche Maßnahmen haben den größten Hebel?
Zeitplan: Kurzfristige Ziele (5-10 Jahre) und langfristige Vision (bis 2050). Orientiere dich dabei an wissenschaftsbasierten Vorgaben.
Monitoring: Regelmäßige Überprüfung der Fortschritte. Nur was gemessen wird, kann auch gesteuert werden.
Dokumentation: Transparente Darstellung von Methodik, Annahmen und Fortschritten – wichtig für Stakeholder wie Banken, Kunden und Auditoren.
Für Geschäftsführer und Nachhaltigkeitsverantwortliche bedeutet Netto-Null mehr als ein Marketing-Versprechen. Es ist eine strategische Entscheidung mit langfristigen Auswirkungen auf Wettbewerbsfähigkeit, Finanzierung und Reputation.
Ein zentraler Hebel auf dem Weg zu Netto-Null ist der Wechsel zu erneuerbaren Energien. Strom aus Wind, Sonne und nachhaltiger Biomasse verursacht deutlich geringere Emissionen als fossile Energieträger. Gleichzeitig steigert Energieeffizienz die Wirtschaftlichkeit dieses Übergangs.
Viele Unternehmen beginnen mit der Optimierung von Scope 2 – den Emissionen aus eingekaufter Energie. Der Wechsel zu Ökostrom ist oft der schnellste und sichtbarste Schritt. Wichtig dabei: Achte auf hochwertige Herkunftsnachweise, die tatsächlich zusätzliche erneuerbare Kapazitäten fördern.
Die Reduktion von Scope 1 – etwa durch energieeffiziente Produktionsprozesse, moderne Heizungssysteme oder alternative Antriebe in der Firmenflotte – erfordert oft Investitionen, zahlt sich aber durch Kosteneinsparungen aus.
Neue Technologien spielen eine wichtige Rolle auf dem Weg zu Netto-Null. Von Wärmepumpen über E-Mobilität bis hin zu Prozessinnovationen in der Industrie – die verfügbaren Lösungen wachsen kontinuierlich. Gleichzeitig sinken die Kosten, wodurch Maßnahmen zunehmend wirtschaftlich werden.
Dennoch: Technologie allein reicht nicht. Verhaltensänderungen, optimierte Prozesse und strategische Entscheidungen sind ebenso wichtig. Der Mangel an Handeln heute führt zu höheren Kosten und größeren Herausforderungen morgen.
Netto-Null-Emissionen bedeuten, dass die ausgestoßenen Treibhausgase vollständig durch natürliche oder technische Senken ausgeglichen werden. Anders als bei Klimaneutralität geht es nicht primär um Kompensation, sondern um tatsächliche Reduktion: Mindestens 90 % der Emissionen müssen über alle Scopes hinweg reduziert werden, bevor verbleibende Emissionen dauerhaft entfernt werden dürfen. Die Atmosphäre nimmt im Zustand von Netto-Null netto keine zusätzlichen Treibhausgase mehr auf.
Der Nettonull-Emissionsstatus beschreibt das Gleichgewicht zwischen ausgestoßenen und wieder entfernten Emissionen. Auf globaler Ebene bedeutet dies: Die Menschheit emittiert nur noch so viel CO₂ und andere Treibhausgase, wie gleichzeitig durch Senken wie Wälder, Moore oder technische Verfahren wieder aus der Atmosphäre entnommen wird. Für einzelne Unternehmen bedeutet Netto-Null, dass sie ihre Emissionen über alle drei Scopes drastisch reduziert und verbleibende Emissionen durch validierte, dauerhafte Entfernung neutralisiert haben.
Microsoft verfolgt ein ambitioniertes Netto-Null-Ziel mit kumulativer Betrachtung: Das Unternehmen will bis 2030 nicht nur aktuell klimaneutral sein, sondern alle historischen Emissionen seit Gründung 1975 ausgleichen – deshalb die Bezeichnung "Carbon Negative". Microsoft erfasst alle drei Scopes vollständig, setzt auf wissenschaftlich validierte Reduktionspfade und investiert in Innovation für CO₂-Entfernung. Ein anderes Beispiel: Ein mittelständischer Produktionsbetrieb stellt auf erneuerbare Energien um, optimiert Lieferketten, reduziert Scope 1 und 2 um über 90 % und gleicht verbleibende Prozessemissionen durch Moor-Renaturierungsprojekte aus.
Klimaneutralität erlaubt theoretisch, Emissionen durch den Kauf von CO₂-Zertifikaten auszugleichen, ohne die eigenen Emissionen substanziell zu reduzieren. Netto-Null hingegen erfordert eine tatsächliche, wissenschaftlich validierte Reduktion um mindestens 90 % über alle Scopes. Erst dann dürfen verbleibende Emissionen durch dauerhafte Entfernung neutralisiert werden – nicht durch einfache Kompensationszertifikate. Netto-Null ist also deutlich ambitionierter und transparenter. Der Begriff "Klimaneutralität" ist weniger streng definiert und birgt deshalb die Gefahr von Greenwashing. Netto-Null-Emissionen setzen auf messbare, überprüfbare Reduktionspfade und echte Transformation statt oberflächlicher Ausgleichszahlungen.
Ein glaubwürdiges Netto-Null-Ziel ist vollständig erfasst, wissenschaftlich fundiert, mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar und berücksichtigt kumulative Emissionen. Diese vier Säulen trennen ernsthafte Klimastrategien von Greenwashing.
Die Herausforderung ist real: Unternehmen müssen ihre Emissionen über alle drei Scopes drastisch reduzieren, bevor sie verbleibende Emissionen neutralisieren dürfen. Der Weg führt über erneuerbare Energien, Energieeffizienz, optimierte Prozesse und innovative Technologien.
Gleichzeitig steigt der Druck: Banken, Großkunden und Regulatoren fordern zunehmend belastbare Klimadaten. Wer heute handelt, sichert sich Wettbewerbsvorteile. Wer wartet, riskiert regulatorische Überraschungen und verpasste Chancen.
Die gute Nachricht: Die Werkzeuge für den Einstieg sind vorhanden. Von automatisierten CO₂-Bilanzen bis hin zu wissenschaftlich validierten Reduktionspfaden – die Technologien existieren. Jetzt geht es um Umsetzung.
Netto-Null-Emissionen zu erreichen ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Aber jede Tonne CO₂, die nicht in die Atmosphäre gelangt, trägt dazu bei, die Erwärmung zu begrenzen und die Folgen des Klimawandels für alle Menschen auf der Erde zu minimieren. Das ist nicht nur eine ökologische, sondern auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit – für die Zukunft deines Unternehmens und der gesamten Menschheit.
Climate Action Tracker. (2024). Germany – Country Assessment. https://climateactiontracker.org/countries/germany/
Global Covenant of Mayors for Climate & Energy. (2024). Cities taking action on climate change. https://www.globalcovenantofmayors.org/
Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). (2023). Sixth Assessment Report. https://www.ipcc.ch/
LocalZero. (2024). Klimaneutrale Kommunen in Deutschland. https://localzero.net/
Microsoft. (2024). Carbon negative by 2030. https://www.microsoft.com/en-us/corporate-responsibility/sustainability
Science Based Targets Initiative. (2024). Net-Zero Standard. https://sciencebasedtargets.org/net-zero
United Nations Framework Convention on Climate Change. (2015). Paris Agreement. https://unfccc.int/process-and-meetings/the-paris-agreement
We Mean Business Coalition. (2024). Companies taking action. https://www.wemeanbusinesscoalition.org/
Zero Tracker. (2025). Net Zero Stocktake 2025. https://zerotracker.net/
European Commission. (2025). EU Innovation Fund – Clean Technologies. https://ec.europa.eu/