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Ökobilanzierung Schritt für Schritt verstehen und umsetzen

Definition Ökobilanzierung (Life-Cycle Assessment)

Die Ökobilanzierung, oder auch Life-Cycle Assessment (LCA), ist ein wichtiges Werkzeug für Unternehmen, um die Umweltauswirkungen der eigenen Produkte zu verstehen und zu reduzieren. Die Methode der Ökobilanzierung basiert auf der wissenschaftlichen Lebenszyklusanalyse, die nach international anerkannten Standards durchgeführt wird. Sie bildet die Grundlage für nachhaltige Entscheidungen und unterstützt Unternehmen dabei, ihre strategischen Zielen im Bereich Nachhaltigkeit zu verfolgen. Darüber hinaus unterstützen Ökobilanzen Unternehmen bei der Einhaltung gesetzlicher und normativer Vorgaben.

Bei Ökobilanzen werden die Umweltauswirkungen eines Produkts oder einer Dienstleistung während der gesamten Lebensdauer erfasst, vom Anbau der Rohprodukte über die Herstellung, den Vertrieb und die Nutzung bis hin zur Entsorgung und Abfallbehandlung, die damit verbunden sein können. Die Umweltwirkung steht dabei im Mittelpunkt der Analyse. Der betrachtete Lebensweg eines Produkts wird häufig mit der Metapher "von der Wiege bis zur Bahre" beschrieben, um den gesamten Lebenszyklus systematisch zu erfassen und zu analysieren. Dabei müssen systematisch relevante Eingaben und Ausgaben entlang der Wertschöpfungskette erfasst werden.

Im Gegensatz zum Corporate Carbon Footprint, der sich auf die ganze Organisation bezieht (siehe: Corporate Carbon Footprint (CCF) berechnen und reduzieren: Praktische Tipps), bezieht sich die Ökobilanz somit auf ein einzelnes Produkt. Die Basis für die Durchführung der Ökobilanzierung bilden normierte Rahmenbedingungen, wie sie in internationalen Normen und Standards festgelegt sind. Während es für den CCF das GHG Protocol als etablierten Standard gibt, existieren für ein Life-Cycle Assessment die ISO 14040 und die ISO 14067. Die DIN EN ISO 14040 und DIN EN ISO 14044 bestehen aus vier Phasen, deren Erarbeitung iterativ erfolgt.

Die Berechnung der Umweltwirkungen im Rahmen der Lebenszyklusanalyse ist ein zentraler Bestandteil des LCA-Prozesses und ermöglicht eine fundierte Bewertung der ökologischen Auswirkungen von Bauprodukten und Dienstleistungen.

Warum eine Ökobilanzierung sinnvoll ist

Alle Maßnahmen können Kosten reduzieren, den Gewinn steigern und ein Unternehmen unabhängiger machen. Eine umfassende Lösung für komplexe Umwelt- und Nachhaltigkeitsherausforderungen bietet die Ökobilanzierung, indem sie innovative Ansätze und Fachkompetenz vereint. Insbesondere die folgenden Unternehmensabteilungen profitieren direkt von einem Life-Cycle Assessment. Zudem findet die Ökobilanzierung Anwendung bei politischen Entscheidungsprozessen, im Marketing sowie in verschiedenen Projekten, bei denen Erfahrungswerte und Ergebnisse nachhaltiger Initiativen gesammelt werden.

  • Lieferkettenmanagement. Umwelt-Probleme in der Lieferkette erkennen und eliminieren. Bessere lieferanten finden.
  • Regulierung & Produktdesign. Umwelteinflüsse der eigenen Produkte erfassen und das Produktdesign verbessern. Neue Produkte entwickeln.
  • Marketing & Vertrieb. Die Möglichkeit, die Umweltauswirkungen der eigenen Produkte informiert kommunizeren zu können, und über Fortschritte zu berichten.
  • Management. Über CO2-Bilanzen hinausgehende Einflüsse, wie Wasserverbrauch, Giftigkeit, Landnutzung u.a. erkennen und reduzieren.

Mit Inkrafttreten der europäischen CSRD und der Einführung des VSME-Standards für kleinere und mittlere Unternehmen erhöht sich die praktische Anwendbarkeit von Ökobilanzen im Mittelstand deutlich. Unternehmen aus der DACH-Region werden zunehmend verpflichtet, ihre Nachhaltigkeitswirkungen nicht nur intern, sondern auch gegenüber Banken, Investoren und Geschäftspartnern kenntlich zu machen. Zertifizierungssysteme wie BNB, DGNB oder QNG spielen dabei eine zentrale Rolle, um Nachhaltigkeit messbar zu machen und transparent zu kommunizieren. Speziell der VSME-Standard eröffnet KMU einen niedrigschwelligen Einstieg: Mit vereinfachten Berichtsformaten und Fokus auf Wesentlichkeit bleiben Aufwand und Komplexität überschaubar, während die Transparenz für Stakeholder steigt. Die Ökobilanzierung wird dabei auch in der deutschen Rechtsordnung berücksichtigt.

Nachhaltigkeit ist ein zentrales Anliegen moderner Unternehmen, die sich strategische Ziele im Bereich Klimaschutz, Ressourceneffizienz und nachhaltiges Wirtschaften setzen. Die Integration der Ökobilanzierung unterstützt Unternehmen dabei, diese Ziele zu erreichen und ihre nachhaltige Entwicklung kontinuierlich zu verbessern.

Die ISO-Normen einer Ökobilanz

ISO 14040:  ISO 14040 definiert die Grundlagen und Anforderungen an eine Ökobilanz, einschließlich der Definition des Ziels und des Umfangs der LCA. Dies umfasst das Life Cyle Inventar (LCI) und das Life Cycle Impact Assessment (LCIA) mit einer abschließenden Interpretation und Verbesserungsanalyse. Die internationalen Normen wie ISO 14040 legen die methodischen Rahmenbedingungen für die Durchführung von Ökobilanzen fest und gewährleisten so eine standardisierte Bewertung der Umweltleistung.

ISO 14040 Website

ISO 14067: Die Treibhausgasbilanz auf Produktebene (Product Carbon Footprint). Die ISO-Norm spezifiziert Grundsätze, Anforderungen und Leitlinien für die Quantifizierung und Berichterstattung über den CO2-Fußabdruck eines Produkts (PCF) in einer Weise, die mit den internationalen Normen zur Lebenszyklusbewertung (LCA) übereinstimmt. Zertifizierungssysteme wie BNB, DGNB oder QNG bauen auf diesen Normen auf und spielen eine zentrale Rolle bei der ökologischen Bewertung und Nachhaltigkeit von Gebäuden.

ISO 14067 Website

Beide ISO-Normen können für jeweils ca. 150 Euro lizenziert werden.

Die Rolle der Ökobilanz in einer linearen Wirtschaftsweise

Eine Wirtschaft, die darauf basiert, Rohstoffe und Ressourcen zu extrahieren, in Produkte zu verwandeln, zu nutzen und schließlich wegzuwerfen fährt auf einem endlichen Planeten mit endlichen Ressourcen gegen die Wand. Mit diesem Wartschaftsmodell verbrauchen wir derzeit 1,6 Erden und erzeugen Unmengen unnötiger Emmissionen. Die Weltbank schätzt, dass die weltweite Abfallmenge bis 2050 von derzeit 2 Milliarden auf bis 3,4 Milliarden Tonnen Müll steigen wird. Um die Abfallmenge zu reduzieren, müssen Recycling- und Wiederverwendungsraten daher steigen. Alleine die Textilindustrie könnte durch ein Kreislaufmodell dazu beitragen, jedes Jahr mehr als 500 Milliarden Dollar an Verlusten für die Industrie zurückgewinnen und gleichzeitig negativen Umweltauswirkungen reduzieren.

Eine Kreislaufwirtschaft, getrennt in einen biologischen (links) und einen technischen Kreislauf (rechts), ließe sich wie folgt darstellen:

Das Ziel: Das Entweichen von Rohstoffen aus dem Kreislauf und die damit verbundenen negativen Umweltauswirkungen verhindern. Die Analyse der Stoffströme und der Einsatz von Betriebsstoffen sind dabei entscheidend, um die Umweltbilanzierung entlang des gesamten Lebenszyklus zu optimieren. Auch Hilfsstoffe spielen eine wichtige Rolle bei der Bewertung des Material- und Ressourcenverbrauchs und deren Umweltauswirkungen. Die Umweltwirkung der verschiedenen Kreisläufe steht im Mittelpunkt nachhaltiger Optimierungsstrategien.

Die biologischen Kreisläufe werden geschlossen, indem die Materialien ohne Schaden oder Müll auf regenerative Weise in die Biosphäre zurückgeführt werden. Die Wiedereinführung kann “natürlich” (z. B. durch biologischen Abbau) oder “industriell” (z. B. durch biochemische Extraktion oder industrielle Kompostierung) erfolgen. Biologische Lösungen konzentrieren sich in der Regel auf die Substitution endlicher (technischer) Materialien durch erneuerbare Stoffe. Dennoch bleibt es eine Priorität, Produkte mit ihrem höchsten Nutzen und Wert in Umlauf zu bringen, sodass Wartung, Reparatur und Wiederverwendung ebenfalls stattfinden können.

In den technischen Flüssen werden endliche Materialkreisläufe verlangsamt und durch Werterhalt (auch R-Imperative genannt) wie Reparatur, Aufarbeitung, Wiederherstellung, Wiederverwendung und Recycling geschlossen. Wobei Recycling die letzte aller Möglichkeiten sein sollte, um mehr eingebettete Energie und andere Werte zu erhalten und mehr Abfall zu vermeiden.

Cradle to Grave und Cradle to Cradle

Um Kreisläufe für ein spezifisches Produkt zu betrachten, gibt es verschiedene Lebenszyklusmodelle.

Ecochain Illustration

Cradle-to-CradleCradle-to-cradle ist das bekannteste Konzept der theoretischen Kreislaufwirtschaft. Es ist eine Abwandlung des Cradle-to-Grave-Konzepts, bei dem die Abfallphase durch ein Recyclingverfahren ersetzt wird, das den Abfall für ein anderes Produkt wiederverwendbar macht und so den Kreislauf schließt. Aus diesem Grund wird es auch als Kreislaufwirtschaft bezeichnet. Recycling schützt Ressourcen und führt zu signifikanten Einsparungen bei Treibhausgasemissionen.

Cradle-to-Grave

Wenn man die Auswirkungen eines Produkts bis zur Entsorgung analysiert, nennt man dies Cradle-to-Grave. Dabei wird der gesamte Lebensweg eines Produkts von der Wiege bis zur Bahre betrachtet. Die Metapher 'von der Wiege bis zur Bahre' beschreibt den vollständigen Lebenszyklus eines Produkts – von der Rohstoffgewinnung (Wiege) bis zur Entsorgung (Bahre) – und dient als Basis für die systematische Erfassung und Berechnung der Umweltwirkungen im Rahmen einer Lebenszyklusanalyse. Transport fällt dabei oft zwischen allen Schritten an.

Cradle-to-Gate

Bei Cradle-to-Gate wird ein Produktleben nur bis zu den Werkstoren ausgewertet. Der Transport zum Verbrauch und die Nutzungsphase entfällt. Dies ist oft auch eine Datenfrage. Wie werden die Produkte genutzt? Das muss oft erst herausgefunden werden.

Eine Cradle-to-Gate-Analyse vereinfacht die Ökobianzierung und führt schneller zum Ziel. Cradle-to-Gate-Bewertungen werden häufig für Umweltproduktdeklarationen (EPD) verwendet.

Die 4 Schritte einer Ökobilanzierung

Nachdem wir nun die Unterschiede zwischen den LCA-Modellen betrachtet haben, tauchen wir tiefer in die eigentlichen Phasen einer Ökobilanz ein und erläutern, wie die Berechnung und Durchführung von Ökobilanzierungen ablaufen.

1. Definition von Ziel und Umfang

  • Welches Produkt wird analysiert? Welche Funktionseinheit eines Produktes? Die Funktionseinheit einer Einmal-Plastiktüte ist zum Beispiel wöchentlicher Transport von 1 kg an Wochenmarkteinkäufen. Dabei werden die 7g Plastik für 52 Wochen benötigt, also 364g Plastik (7g x 52 Wochen) verbraucht.
  • Welches Modell wird genutzt? Cradle-to-gate?
  • Auf welche Einflusskategorien wird abgestellt? Es gibt eine Vielzahl von Wirkungskategorien wählen (über 15). Je nach Ziel und Umfang einer Analyse können verschiedene Kategorien zutreffen. Die folgenden sind die am häufigsten verwendeten:
  • Humantoxizität
  • Global Warming Potential (PCF)
  • Ökotoxizität
  • Versauerung
  • Eutrophierung
  • Was wird nicht betrachtet?

Zusammenfassung von Ziel und Umfang der Analyse am Beispiel einer Jeans:

Beispielhaftes Ziel des LCA ist es, Jeans nachhaltiger zu gestalten, inbesondere in Bezug auf entstehende Umwelt-Emissionen. Ein weiteres Ziel ist die effizientere Herstellung durch Rationalisierung der Prozesse. Wir werden die Jeans als Ganzes betrachten und die Umweltauswirkungen Cradle-to-Grave analysieren.

2. Schritt: Life Cycle Inventar (LCI)

Die Inventaranalyse (LCI) befasst sich mit den genutzten Rohstoffen eines Produkts oder einer Dienstleistung. In diesem Schritt geht es hauptsächlich um Datenerfassung von Rohstoffverbrauch, Energieverbrauch, Wasser und dazugehörige Emissionen. Zentrale Elemente der Inventaranalyse sind die Erfassung und Analyse von Stoffströmen, Betriebsstoffen und Hilfsstoffen, um den Ressourcenverbrauch und die Umweltwirkungen umfassend abzubilden. Die Sachbilanz (Life Cycle Inventory, LCI) quantifiziert dabei alle relevanten Stoff- und Energieflüsse innerhalb der Systemgrenzen.

Diese Analyse kann äußerst komplex sein, so wie Produktionsprozesse und Lieferketten es in der Regel auch sind. Deshalb nimmt dieser Schritt der Ökobilanzierung die meiste Arbeit und Zeit in Anspruch.

Viele dieser Daten sind gut verfügbar - zum Beispiel in einer Strom- oder Wasserrechnung. Andere Quellen können Durchschnittswerte sein oder aus Datenbanken und LCA-Tools kommen. Vor allem die zugrunde liegenden Datenbanken und digitalen Tools spielen eine wichtige Rolle, um konsistente und belastbare Ergebnisse zu erzielen. Ökobilanz-Tools mit kostenlosem Zugang sind zum Beispiel:

Sustainable Minds

OpenLCA (Software)

2030 Calculator

Alle lizenzieren die Datenbank von ecoinvent.

Für die Inventarisierung sollten die folgenden Prinzipien gelten:

  • Garbage in, Garbage out: Primäre Daten vor sekundären Daten vor geschätzten Daten.
  • Flussdiagramme helfen um Inputs und Outputs lückenlos zu erfassen.
  • Vorsicht mit Maßeinheiten. Eine falsch gewählte Einheit, ein falsches Kommata zerschießt die gesamte Ökobilanz.
  • Quellen und Annahmen dokumentieren, um Prüfungen und Verbesserungen zu ermöglichen.

3. Schritt: Bewertung der Auswirkungen

In diesem Schritt erfolgt der Rückgriff auf die in Schritt 1 gewählten Einflusskategorien. Im Beispiel der Jeans bleibend kann dies mit dem 2030-Calculator für CO2e wie folgt aussehen:

Doconomy 2030 Calculator

Hier können wir erkennen, dass ein Großteil der CO2e-Emissionen dem Materialverbrauch entstammt, während der Transport (per Schiff) nur einen geringen Teil ausmacht. Im nächsten Schritt wird dies nun interpretiert.

4. Schritt: Auswertung und Bewertung

Dies sollte nach ISO 14044 folgendes beinhalten:

  • Identifizierung wesentlicher Probleme auf der Grundlage der LCI- und LCIA-Phase
  • Bewertung der Studie selbst, wie vollständig sie ist und ob sie sorgfältig und konsistent durchgeführt wurde
  • Schlussfolgerungen, Einschränkungen und Empfehlungen

Die Auswertung und Bewertung ist der wirklich spannende Teil einer Ökobilanz. Die Ergebnisanalyse identifiziert die wichtigsten Umweltprobleme des untersuchten Systems.

Am Beispiel der Jeans ließe sich nun ableiten, dass der Rohstoffverbrauch zu hoch ist. Um diesen zu reduzieren, könnten andere Rohstoffe genutzt werden. Zum Beispiel recyclte Baumwollfasern oder Mischgewebe mit Leinen oder Hanf. Oder man bleibt bei Baumwolle, aber schaut sich die Lieferanten und Produktionsweisen genauer an, wechselt den Lieferanten, wählt GOTS-Baumwolle mit besseren Umwelteigenschaften.

Datengrundlagen und Tools für die Ökobilanzierung

Eine fundierte Ökobilanzierung – oder Life Cycle Assessment (LCA) – steht und fällt mit der Qualität und Verfügbarkeit der zugrunde liegenden Daten. Für die Bewertung der Umweltwirkungen von Produkten, Dienstleistungen und Verfahren ist es entscheidend, auf verlässliche, standardisierte Datengrundlagen und moderne Tools zurückzugreifen. Die internationalen Normen DIN EN ISO 14040 und DIN EN ISO 14044 bilden dabei den methodischen Rahmen und definieren die Grundsätze für die Durchführung, Bewertung und Auswertung von Ökobilanzen.

Gerade im Gebäudebereich spielen spezialisierte Datenbanken eine zentrale Rolle. Die ÖKOBAUDAT des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen stellt beispielsweise umfangreiche, geprüfte Ökobilanzdaten für Baustoffe und Bauprodukte bereit. Sie ist ein wichtiger Baustein für die Erstellung von Ökobilanzen im Rahmen von Bauprojekten und wird durch weitere Plattformen wie wecobis, GEMIS oder die EPD-Datenbanken des Instituts Bauen und Umwelt e.V. (IBU) ergänzt. Diese Datenbanken liefern belastbare Informationen zu Stoffströmen, Energieverbräuchen und Emissionen entlang des gesamten Lebenszyklus eines Produktes oder Gebäudes.

Für die praktische Umsetzung der Ökobilanzierung stehen heute zahlreiche digitale Tools und Softwarelösungen zur Verfügung. Ein Beispiel ist das kostenfrei nutzbare Online-Tool eLCA, das speziell für den Bausektor entwickelt wurde und eine transparente, nachvollziehbare Erstellung von Ökobilanzen für Bauteile und ganze Gebäude ermöglicht. Auch die Integration von Building Information Modeling (BIM) eröffnet neue Möglichkeiten: Durch die Verknüpfung von BIM-Modellen mit Ökobilanzdaten können Umweltwirkungen bereits in frühen Planungsphasen simuliert und optimiert werden. Allerdings ist die Qualität der BIM-Modelle in der Praxis oft noch eine Herausforderung, da sie maßgeblich die Aussagekraft der LCA-Ergebnisse beeinflusst.

Die Berücksichtigung von Umweltauswirkungen in der Planung und Entscheidungsfindung wird zunehmend durch gesetzliche Vorgaben gefordert. Die EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) und das Gebäudeenergiegesetz (GEG) 2024 sind Beispiele dafür, wie Nachhaltigkeitsziele und die Bewertung von Umweltauswirkungen in die Gesetzgebung integriert werden. Unternehmen und Planer sind dadurch gefordert, Ökobilanzen als festen Bestandteil ihrer Projekte und Prozesse zu etablieren.

Ein zentraler Erfolgsfaktor für die Umsetzung einer Ökobilanz ist die sorgfältige Festlegung des Untersuchungsrahmens und die Auswahl relevanter Daten. Die Ermittlung der Stoff- und Energieflüsse, die Erstellung der Sachbilanz und die Auswertung der Ergebnisse erfordern ein strukturiertes Vorgehen und eine hohe Datenqualität. Nur so lassen sich valide und belastbare Aussagen über die Umweltauswirkungen von Produkten, Gebäuden oder Dienstleistungen treffen.

Die Ökobilanzierung ist damit weit mehr als eine reine Umweltanalyse: Sie ist ein integraler Bestandteil eines umfassenden Nachhaltigkeitsmanagements, das ökologische, ökonomische und soziale Aspekte miteinander verbindet. Durch die Nutzung moderner Tools, die Integration in digitale Planungsprozesse und die konsequente Anwendung von Standards wie DIN EN ISO 14040 und DIN EN ISO 14044 können Unternehmen und Organisationen nicht nur ihre Umweltwirkungen minimieren, sondern auch ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken und einen aktiven Beitrag zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen leisten.

Automatisierung und Digitalisierung als Enabler

In den vergangenen Jahren haben sich digitale Tools und automatisierte Lösungen für die CO₂-Bilanzierung etabliert, die den Arbeitsaufwand für KMU massiv reduzieren. Aktuelle Systeme bieten Cloud- und API-Integration, binden Daten aus vorhandenen Buchhaltungs- und ERP-Systemen ein und ermöglichen plug-and-play-Anwendungen auch ohne IT-Expertise. Für die betriebliche Praxis sind automatische Scope-2-Berechnungen, gezielte Lieferanten-Analysen und die Möglichkeit der schnellen Dateneingabe zu echten „Quick Wins“ geworden. Im Unterschied zu umfangreichen Konzernlösungen oder klassischen Beraterprojekten erlauben diese Tools ein flexibles, bedarfsgerechtes Wachstum der Nachhaltigkeitsaktivitäten.

Beispiel Ökobilanzierung Levis Strauss 501

An dieser Stelle sei daher auch die Lektüre des LCAs von Levi Strauss zur 501 Jeans empfohlen. Die LCA-Studie kann als Projekt betrachtet werden, das sich der Entwicklung nachhaltigerer Produkte widmet und innovative Ansätze zur Reduzierung der Umweltwirkungen entlang des gesamten Lebenswegs untersucht:

Live Strauss LCA Jeans 501

In diesem erkennt man schnell, dass Levi Strauss einen großen Fokus auf die Nutzungsphase und dabei das Waschverhalten der Nutzer legt. Jedoch verbraucht der Anbau der Baumwolle 3x so viel Wasser, 4,5x so viel Land und erzeugt 2x so viel Eutrophierung. Einzig beim Einfluss auf den Klimawandel ist der Einfluss der Jeans-Nutzung höher als die Produktion der Baumwolle:

Wasserverbrauch Levi’s 501

Über viele Seiten legt Levi Strauss dann dar, in welchem Land wie oft gewaschen wird und bringt Marketingmaßnahmen dagegen in Stellung, um das Waschverhalten zu ändern. Nun, der Erfolg solcher Marketingmaßnahmen ist nicht direkt messbar und damit sehr ineffizient. Ein viel größerer und überprüfbarerer Hebel wäre jedoch ein verbesserter Umgang mit den Rohstoffen und dem Materialeinsatz. Der Einatz von Recyclingfasern, Reperaturen, Zurücknahmen, ein langlebiges Produktdesign wären Maßnahmen, die viel direkter zu kontrollieren wären und einen größeren Effekt hätten. Leider muss man dafür an die eigenen Abläufe ran und kann die Veränderung nicht auslagern.

Nichtsdestotrotz ist Levis Strauss ein Vorreiter der Branche, da dieser Bericht von 2015 stammt und damit anderen zumindest zeitlich deutlich voraus ist. Zumal für die Textilbranche, die mit Fast Fashion ein großes Problem darstellt.

Um gedanklich tiefer einzusteigen sind die 12 Prinzipien des grünen Produktdesigns sehr lehrreich:

1. Eher inhärent als umständlichgreen

Konstrukteure müssen sich darum bemühen, dass alle Materialien und Energieinputs und -outputs von Natur aus so ungefährlich wie möglich sind.

2. Vermeidung statt Behandlung

Es ist besser, Abfall zu vermeiden, als ihn zu behandeln oder zu reinigen, nachdem er entstanden ist.

3. Planung für Trennung

Trenn- und Reinigungsverfahren sollten so konzipiert sein, dass der Energie- und Materialverbrauch minimiert wird.

4. Maximierung der Effizienz

Produkte, Prozesse und Systeme sollten so konzipiert sein, dass sie die Effizienz in Bezug auf Masse, Energie, Raum und Zeit maximieren.

5. Output-Pulled versus Input-Pushed

Produkte, Prozesse und Systeme sollten durch den Einsatz von Energie und Material eher "output-pulled" als "input-pushed" sein.

6. Komplexität bewahren

Eingebettete Entropie und Komplexität müssen als Investition betrachtet werden, wenn es darum geht, Entscheidungen über Recycling, Wiederverwendung oder sinnvolle Entsorgung zu treffen.

7. Langlebigkeit statt Unsterblichkeit

Eine angestrebte Langlebigkeit, nicht Unsterblichkeit, sollte ein Designziel sein.

8. Bedarf decken, Überschuss minimieren

Die Entwicklung unnötiger Kapazitäten oder Fähigkeiten (z. B. "Einheitsgrößen") sollte als Konstruktionsfehler betrachtet werden.

9. Minimierung der Materialvielfalt

Die Materialvielfalt in Mehrkomponentenprodukten sollte minimiert werden, um die Demontage und den Werterhalt zu fördern.

10. Integrierte Material- und Energieflüsse

Das Design von Produkten, Prozessen und Systemen muss die Integration und Vernetzung mit den verfügbaren Energie- und Materialflüssen beinhalten.

11. Design für ein kommerzielles "Nachleben"

Produkte, Prozesse und Systeme sollten so konzipiert sein, dass sie auch in einem kommerziellen "Nachleben" funktionieren.

12. Erneuerbar statt erschöpfend

Material- und Energieinputs sollten erneuerbar und nicht erschöpfend sein.

Ausblick und Perspektiven

Die zunehmende Digitalisierung – etwa durch offene Standards wie IFC, KI-basierte Planungstools und die fortschreitende Verbreitung von Environmental Product Declarations (EPD) – wird die Ökobilanzierung in den kommenden Jahren weiter vereinfachen und deren Relevanz im Mittelstand erhöhen. Gleichzeitig unterstützen Förderprogramme und politische Initiativen die Einführung moderner Bilanzierungssoftware und die Qualifizierung von Mitarbeitenden. Ein Fokus auf Datenschutz, Audit-Konformität und die laufende Qualitätssicherung der Datenströme rundet ein nachhaltiges und zukunftssicheres Ökobilanz-Management ab.

Weitere Quellen:

https://greenchemistry.yale.edu/about/principles-green-engineering

https://openknowledge.worldbank.org/entities/publication/d3f9d45e-115f-559b-b14f-28552410e90a

https://www.mckinsey.com/capabilities/sustainability/our-insights/sustainability-blog/refashioning-clothings-environmental-impact 

Johannes Fiegenbaum
Johannes Fiegenbaum Strategy & Sustainability Advisor, multiplye.ai Mehr über mich

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